Forschung, Forschung...

Im Jahr 2001 klopfte ein älterer Herr namens Karl Schirok an meine Tür in Sangerhausen (Deutschland) und bat mich, ihm beim Kauf von Tickets für Madame Tussauds in London behilflich zu sein. Karl war bereits über 80 und irgendwie war ich neugierig, woher wohl sein Interesse für England stammte. Er erzählte mir, dass er von 1944 bis 1947 als Kriegsgefangener im Vereinigten Königreich gelebt hatte und dass er bis heute Kontakt zu der Familie hielt, auf deren Bauernhof er damals arbeitete. Er erzählte mir auch von seinen ‚English Christmas‘, als er 1946 eingeladen war, die Weihnachtstage mit der englischen Familie zu verbringen. Es war eine schöne Geschichte, über die ich ins Nachdenken geriet. Denn viele der Erinnerungen an diese Zeiten verblassen allmählich – zusammen mit der Generation, die sie erlebte. Wie traurig und in der Tat schade, wenn solche Geschichten verloren gehen.

Ich begann beim englischen Weihnachtsfest und von dort aus wuchs mein Plot in zwei Richtungen. Die historischen Ereignisse in der Normandie waren ein faszinierendes Forschungsgebiet. Meine Recherchen gingen von einer Luftaufnahme aus, die die Royal Air Force am 5. Juni 1944 gemacht hatte. Ich schaute die Positionen der Maschinengewehre genau an und entschloss mich herauszufinden, was weiter passiert war. Ich arbeitete mich durch Militärakten, Regierungsdokumente und andere Unterlagen. Der in meinem Buch beschriebene zeitliche Verlauf, die Typhoons, die Hampshires usw., stimmt nach bestem Wissen und Gewissen mit den historischen Ereignissen überein. Vereinzelte Ungenauigkeiten sind meiner künstlerischen Freiheit geschuldet – sie war gelegentlich auch im Spiel.

Seit 1999 lebe ich in Ostdeutschland. In den mehr als 13 Jahren habe ich lange und oft mit Hunderten meiner Freunde und Bekannten über ihr Leben in der ehemaligen DDR geredet. Doch wie Karl Schiroks Generation werden auch meine Freunde älter und ihre Erinnerungen gehen allmählich verloren. Karls Besuch an jenem besagten Abend zündete den Funken in meinem Kopf: Ich wollte ein Buch schreiben, das einige der historischen Fakten erzählen, das aber vor allem die Stimmungen und Gefühle der Menschen dieser Zeit bewahren würde.

Die Charaktere des Romans sind natürlich erfunden, aber die Mehrheit der erzählten Fakten ist durch intensive historische Nachforschungen gesichert – z.B. jene an der Grenze der DDR: Ich habe Hunderte von Stunden damit verbracht, Bücher zu wälzen, das Internet zu durchforsten und Menschen zu befragen, um viele kleine Detailinformationen zusammenzutragen. Ich habe Grenzmuseen besucht und bin die alten Grenzlinien abgelaufen – die in Teistungen dreimal. Ich habe drei ehemalige Grenzwächter interviewt.


Diese Brücke gab mir die Fluchtidee. Sie wurde in Teistungen im Jahr 1969 errichtet. Davor gab es viele temporäre Strukturen, wie in Franz seiner Flucht..

So entstanden langsam Bilder und Gefühle, vor allem Gefühle. Ich habe in Erfurt in einer schalldichten Isolierzelle der Stasi gestanden. Steht man dort, so fragt man sich, wie Menschen dazu fähig sind, einander so etwas anzutun. Ich habe versucht, dieses Gefühl in Franz / Brunhilde zu vermitteln. Mir schien Brunhilde die beste Figur, um die Stasi in ihren Denk- und Vorgehensweisen zu zeigen. Sie waren Fanatiker, die – von ihrem Machtwahn verführt – dem Glauben an die Perfektion ihres Staates blind verfallen waren. Und gemäß dem, was ich erfahren habe, haben sie ihre Privilegien und ihre Macht durchaus genossen.

Die Frage für mich war, wie ich nun all das in einem Buch zusammenbringen könnte. Hier entstand die Idee der Dreiecksbeziehung zwischen der Tochter der Bauernfamilie, ihrem Ehemann und dem Kriegsgefangenen. Ihr entsprang das persönliche Interesse an der Zeit zwischen 1944 und 1964. Franz und Angela erzählen eine Geschichte, in der wir uns alle irgendwie und irgendwo wiederfinden. Wir alle haben auf die ein oder andere Weise Verrat erlebt, einige von uns werden schockierende Erlebnisse gehabt haben, aber wir alle hatten auch unsere glücklichen Tage. Vielleicht hüten einige von uns noch immer dunkle Kindheitsgeheimnisse. Werden Franz und Angela jemals wahres Glück finden? Ich hoffe es.

Wir alle kennen auch eine Figur wie Gerald. Der junge Wilde in uns männlichen Lesern würde wohl gern einige seiner Erlebnisse teilen, und vielleicht tun wir das auch in unserer Fantasie. Gerald lebt das Leben wahrlich in vollen Zügen. Die meisten Leserinnen sähen ihn wohl lieber tot. Aber Sie müssen den Roman lesen, um zu sehen, ob er seine gerechte Strafe erhält. Brunhilde ist für mich eine sehr interessante Figur: ein altersloses Paradox, eine versnobte Sozialistin mit einer nicht geringen Spur Sadismus im Blut. Wir werden in Zukunft noch mehr von ihr erfahren, denn eine Fortsetzung von „Escape from Babylon“ (Flucht aus Babylon) ist in Vorbereitung. Einige Fragen wären da noch zu klären. Viele Freunde haben mir beim Verfassen des Manuskripts geholfen. Sie alle sind in der Danksagung des Buches erwähnt. Ganz besonders danken möchte ich jedoch meiner Schwester, Dianne Clifford, und zwei alten (sie sind gleich alt wie ich) Schulfreunden, Olivia Bastable und Pip Brown. Sie waren stets zutiefst ehrlich zu mir und dafür bin ich sehr dankbar.

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